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Zentrales Besprechungsorgan von keinVerlag.de Ausgabe 202/2009 - Di., 27. Jan 2009
Ein asteroides Totalkunstwerk
Werner Laubscher und Andreas Otto Grimminger: WINTERKASSATION. Dialog mit dem Jazz. Herxheim (K & K Medien, Holzgasse 30, 76863 Herxheim), 1996 - Eine Rezension von Bergmann

Bibliografische Daten:
Verlag: K & K Medien, Holzgasse 30, 76863 Herxheim
Ort: Herxheim
Erscheinungsjahr: 1996
ISBN: 3930643308

Laubschers Lebenswintergedicht mit dem Jazztrompeter Grimminger - eine glänzend intonierte CD
WINTERKASSATION. EIN TOTENTANZ
von Werner Laubscher

Eine Rezension.

Konzertanter Wechseltraktat
mit fühlender Trompete gegen 1 stimmige
Stimme in Wort & Klavier für zwei ein-
geschlossene Sätze










SATZ ------------------------------------------------ THEMA

Lyrik ------ ich ------------Gefühl, Fühlen, Physis, Kältetod
2
Sprechstimme------ I WINTERKASSATION. EIN TOTENTANZ Trompete
links) [II] SCHWEIGEN: als sprachloses Vorsinnen ! [konkurrierend]

1
Mitte) III INTERLUDIO / IMPROVISATION [solistisch]
[IV] FAST NICHTS: die Leere, verwaist, !
3 impliziert Raum
rechts) V BILDNOTIZEN [konzertant]

Prosa ------ er --------Denken, reflexive Bilder, Innenaugen
Schöpferwärme?

(dia)logische Diagonalen
Trompete I konkurrierend zur Stimme: gegen-, nacheinander
in Distanz / Ironie - als Dialog einzelner
Bewegung I nach III
Trompete III konzertantes Miteinander in Klage, Anklage -
als Duo
Bewegung III nach V









1
Schnittpunkt der dialogischen Diagonalen ist III INTERLUDIO, Punkt. Totentanz-Euphorie?
Das ist keine Carpe-diem-Musik! Das Leben ist ein Sterben zum Tode hin Werden.

Die Musik:
Seriell komponierte Vorgaben Laubschers verwandelt Andreas Grimminger allmählich zu Improvisationen und eigenen Phrasierungen, genau bedachter und erfühlter dialogischer Ton auf Laubschers Stimmen und Stimmungen - eine virtuose Serie von minimalen ‘Kadenzen’ auf den Punkt hin, auf den Punkt, der uns anspringt: Die Starre des Werdens, das Schweigen der Entropie.
Grimminger spielt melancholisches Kristall, winterliche gläserne Luzidität, Scherben-mosaike aus dem Blech - und doch, im Widerstreit mit den Dingen komplettiert der junge Trompeter die Dialektik der Kälte mit trotzigem Herz, die Trompete ist vielleicht überhaupt ie Stimme des Lebens in diesem Dialog des zarten Halls und Widerhalls und Innehaltens von Wort und Trompetenklang.

Eingeschlossenes Schweigen (die Sätze II + IV):
Überwindung des gefangenen Todes? Dialektik einer Metamorphose von Sein-Nichts-Werden?: Hegelsche Hoffnung auf hoch gehegelte Seinsstufe? Oder nur ein Spiel?

2
Kassation = Musikstück = Aufhebung, Abschied.
Doppeldeutig: Abschied vom Leben (der Winter als Tod hebt das Leben auf) oder Aufhebung des Todes?
Intrada: Der Tod ist unser Genosse, Keim in uns, er ist das Schweigen, über das wir vor-sinnen.
Menuett en Rondeau: Das Leben ist ein absurder Tanz - von Anfang an der Tanz des Todes: ein hartes Ich klagt rückblickend an: Vaterlandskriegsunsinn, keine Aussicht auf ein sinnvolles Jenseits: Totentanz auch drüben! Der Tod ist ein pervertierter Phönix.
Somna: Todes Bruder: Traum und Schlaf. Laubscher spricht mit abgedämpfter Gletscherstimme: wir erschweigen die trostlose, salzene Wahrheit, unser Leben ist ein Vorsinnen des Todes.
Notturno + Sarabande: Nacht - dünne Lebensfäden - Scherbenschlaf - Eis - Einsamkeit. Der Dialog erfriert. Die Trommel des Todes wird leise geschlagen am Grab. Der Lebenskrieg ist aus.

3
Bildnotizen:
Ein allwissender Erzähler reflektiert die Lebensreise einer pronominalen Gestalt.
Aber er ist ich! Der Erzähler beschreibt das Gleiche wie das lyrische Ich in der „Winterkassation“, nur eine andere Perspektive wird erspielt, diese korrespondiert mit den Gefühlen und Erfahrungen der Kassation in distanzierterer, reflektierter Weise - doch ist es nur eine Vergewisserung der Ungewissheit. Das Leben ist auch jetzt eine Winterlandschaft, die Dinge des Lebens sind unstimmig und im Widerstreit geblieben. Aber am Schluss wird auf dem grauen Malgrund der Augen die graue Schrift des Nichts und Alles lesbar für den dichtenden Leser.
Ich denke, das ist der Wille, die Absurdität des Lebens durch Setzung von Sinn und eigenes Schöpfertum auszuspielen: im Spiel das Spiel bleibt, im Bild das Bild bleibt.
Rien ne va plus?

Ein asteroides Totalkunstwerk! Audi te!
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